
Optimisten würden sagen, das sind doch gute Nachrichten: über 2.650 junge Menschen haben zum 1. September eine passende Lehrstelle in unseren Handwerksbetrieben zwischen Ostalb und Bodensee gefunden. Das freut auch mich. Im Vergleich zum Vorjahr haben wieder mehr Jugendliche ihren Weg ins regionale Handwerk gefunden. Man könnte aber auch anders argumentieren. Denn jede der 570 unbesetzten Lehrstellen im Kammergebiet ist auch eine verpasste Chance. Das Glas ist je nach Betrachtungsweise also entweder halb voll – oder eben halb leer. Laut Prognose werden uns auf dem Arbeitsmarkt bis 2030 aller Voraussicht nach zehnmal (!) mehr Gesellen und Meister fehlen als Akademiker. Wenn es uns nicht gelingt, jungen Menschen zu zeigen, dass eine Karriere auch im Handwerk möglich und sinnvoll ist, wird das eine Herkulesaufgabe. Nicht nur für unsere Betriebe, sondern auch für die Gesellschaft. Denn was passiert, wenn der Fachkräftemangel sich verschärft und es zunehmend an qualifizierten Handwerkerinnen und Handwerkern fehlt? Nun, dann werden Wartezeiten für die Kunden immer länger und Handwerksleistungen unweigerlich teurer. Wenn wir das verhindern wollen, brauchen wir nicht weniger als ein gesellschaftliches Umdenken. Dazu gehört etwa eine größere Wertschätzung für manuelle Fertigkeiten und handwerkliches Wissen. Dazu gehört aber auch eine vorurteilsfreie Berufsorientierung – und zwar an allen Schulen. Unser Handwerk braucht mehr Aufmerksamkeit. Unser Handwerk verdient mehr Aufmerksamkeit. Das müssen wir nur wieder stärker ins Bewusstsein der Menschen rücken.
Joachim Krimmer, Präsident der Handwerkskammer Ulm.
Dieser Kommentar ist erschienen in der DHZ-Ausgabe 17-2024.