„Die beste Soforthilfe sind Aufträge“

Handwerkskammer Ulm zieht erste Soforthilfe-Zwischenbilanz: Niemand im Handwerk denkt derzeit in Kündigungen

Die Handwerkskammer Ulm hat am ersten Tag der Soforthilfe rund 700 Beratungen über die Hotline durchgeführt und mehr als 1.000 Anträge auf Soforthilfe vom Wirtschaftsministerium zur Prüfung erhalten. Die Antragsformulare sind online seit Mittwochabend zugänglich. Vom Wirtschaftsministerium werden sie an die zuständigen Kammern weitergeleitet. Damit die eingehenden Anträge möglichst schnell bearbeitet werden, hat die Kammer ein eigenes Team dafür gebildet und arbeitet mit rund 40 Mitarbeitern die Antragsflut ab. Dr. Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm: „Wir machen uns jetzt mit Hochdruck an die Prüfung der Soforthilfeanträge. Die ersten sind schon von uns zur Zahlung freigegeben.“

Die Eindrücke von der Beratungsfront: Es ist primär die Angst vor Liquiditätsproblemen und der Zahlungsunfähigkeit, die die Handwerker umtreibt. Denn eigentlich hatten Handwerksbetriebe ja gerade noch Hochkonjunktur. Tendenziell stärker betroffen sind kleinere Betriebe mit weniger als 5 Mitarbeitern oder Soloselbstständige. Frisöre und andere publikumsträchtigen Handwerke sind von der behördlich angeordneten Schließung betroffen. Aber auch Textilreiniger. Dabei haben Reinigungen noch offen – aber die Kunden trauen sich nicht mehr hin.  

Immer mehr Handwerksbetriebe leiden unter stornierten Aufträgen der Kunden, im Extremfall bis zu 100 Prozent. Das zeigt eine Umfrage der Handwerkskammern im Land unter ihren Mitgliedern. Die Nachfrage geht allgemein zurück. Dabei sichern die Handwerksbetriebe die Versorgung in unserem Land und können und müssen daher weiterarbeiten. Mehlich appelliert an die Verbraucher: „Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, einem Handwerksbetrieb einen schon lange überlegten Auftrag zu erteilen. Gehen Sie weiterhin zu ihrem Bäcker oder Metzger, in Ihre Reinigung und nutzen Sie die Werkstätten nach Möglichkeit. Stornieren Sie keine Aufträge, sondern gehen Sie neue im Rahmen ihrer Planungen und Möglichkeiten an. Sie können sicher sein, dass Handwerker die Vorschriften zum Infektionsschutz einhalten. Bau- und Ausbaubetriebe sind in der Lage, Abstands- und Sicherheitsvorschriften umzusetzen. Abwärtsspiralen bricht man nicht durch Sparen, sondern durch Ausgeben und Aufträge erteilen.“ Die finanzielle Soforthilfe der Landespolitik helfe vielen Handwerksbetrieben, ihre Existenz zu sichern, aber das noch wichtigere Konjunkturprogramm seien Kundenaufträge.  

Die Handwerksbetriebe machen sich laut Umfrage zudem Gedanken, wie sie ihren Personalbestand zeitweilig an die Krisensituation anpassen können. Sie denken an Kurzarbeit, Arbeitszeitkonten- und Urlaubsabbau. Aber die gute Nachricht: Kündigungen oder Betriebsschließungen aus wirtschaftlichen Gründen werden derzeit quasi gar nicht geplant. Mehlich: „Handwerker und ihre Mitarbeiter lassen sich nicht von dieser Krise auseinanderdividieren und halten zusammen.“  

Es gibt aber auch noch andere Fragen, die Handwerksbetriebe aktuell umtreiben. Beispielsweise sind Gesundheitshandwerker wie Augenoptiker, Hörakustiker, Zahntechniker Teil der jetzt wichtigen Gesundheitsversorgung. Aber auch sie müssen sich und ihre Beschäftigten schützen. „Bei einer Brillen- oder Hörgerätanpassung sind sie dem Kunden sehr nahe. Doch wo gibt es noch Schutzausrüstung, Mund-Nase-Schutzmasken oder Desinfektionsmittel?“, fragt Mehlich. „Unsere Gesundheitshandwerker haben für die dezentrale Versorgung der Patienten die gleichen Probleme wir Ärzte und Krankenhäuser.“ Es gebe 41,1 Millionen Brillenträger in Deutschland. Gerade auch die Menschen, die in dieser Krise mit großem Einsatz für die Mitmenschen da sind, seien auf ein gutes Sehvermögen angewiesen. Mehlich: „Die Arbeitsfähigkeit der Augenoptiker oder Hörakustiker ist unabdingbar. Handwerker sind systemrelevant für die Gesundheitsversorgung.“