Interview mit den Landespolitikern Thomas Dörflinger, Klaus Hoher und Andreas Stoch Die Politik zu Gast im Handwerk

Die Handwerkskammer Ulm tauscht sich regelmäßig zu aktuellen Themen mit den politischen Vertretern des Landes aus. Ein Gespräch über bürokratische Hürden, Energiewende, Fachkräftebedarf und berufliche Bildung.

Foto: Handwerkskammer Ulm

Handwerker verbringen immer mehr Zeit am Schreibtisch als mit ihren Werkzeugen beim Kunden. Wie will die Politik die bürokratischen Hürden für Betriebe senken?

Die Bürokratie ist in der Tat ein großes Problem für kleine und mittlere Handwerksbetriebe geworden. In vielen Gesprächen mit den Verbänden des Handwerks und einzelnen Betriebe hat die CDU-Landtagsfraktionen Möglichkeiten zum Bürokratieabbau erarbeitet. Diese Vorschläge werden wir der Landesregierung vorlegen und zugleich versuchen, diese über Bundesratsinitiativen auf die Bundesebene einzubringen. 

Thomas Dörflinger, CDU

Klaus Hoher, FDP: Wie Sie sicherlich wissen, hat sich die FDP schon immer, auch in der Vergangenheit das Thema Bürokratieabbau zu Herzen genommen und kümmert sich nach wie vor intensiv darum.  Die Landesregierung tut hingegen nichts: Sie schafft den Normenkontrollrat ab und legt einen völlig ambitionslosen Masterplan mit selbstverständlichem vor.

Andreas Stoch, SPD: Es rächt sich, dass Grün-Schwarz viel über Bürokratieabbau spricht, aber praktisch nichts unternimmt. Anstatt Empfehlungen des Normenkontrollrates aufzugreifen, wurde dieser aufgelöst. Dabei wiesen viele Vorschläge in die richtige Richtung. U.a. sollte es bei Förderprogrammen endlich möglich sein, Verfahren rein digital zu gestalten. Auch auf kommunaler Ebene muss die Digitalisierung entschiedener vorangetrieben werden, weil gerade bei öffentlichen Aufträgen das örtliche Handwerk ganze Papierberge bewältigen muss. 

Damit Handwerksbetriebe arbeiten und langfristig planen können, benötigen sie die passenden Rahmenbedingungen und einen verlässlichen Kurs aus der Politik. Wie stellen Sie sicher, dass sich Förderrichtlinien und Vorgaben etwa beim Thema Energiewende nicht ständig ändern?

Dörflinger: Da die meisten Förderrichtlinien und Vorgaben zur Energiewende von der jetzigen Bundesregierung beschlossen werden, sind meine Möglichkeiten als Landtagsabgeordneter in diesem Fall begrenzt. Die Förderprogramme des Landes ergänzen in aller Regel die Bundesprogramme für Mittelständler, Kommunen und Hauseigentümer. Die ständigen Kurswechsel im Bund stellen uns auch in der Landespolitik vor Herausforderungen. 

Nur wenn das Handwerk auf die Politik vertrauen kann, sind die mit der Energiewende verbundenen Herausforderungen handhabbar. Immer neue Vorschriften oder Verbotspläne, wie sie etwa das grün-geführte Bundeswirtschaftsministerium, unterstützt auch von der grünen Landtagsfraktion in Baden-Württemberg unlängst für Gas- und Ölheizungen vorgestellt hat, erschüttern das in die Politik gesetzte Vertrauen ebenso, wie kurzfristige Veränderungen im Förderrahmen. Vertrauen braucht Verlässlichkeit. Verlässlich ist Politik, wenn Vereinbarungen befolgt, Versprechen gehalten und Vorhaben rasch umgesetzt werden. Im Bund stehen wir Freie Demokraten daher für eine verlässliche Politik, die die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags ernst nimmt und so für Planungssicherheit sorgt. Im Land sehen wir Freie Demokraten uns in der Verantwortung, wirklichkeitsfremde Regierungsvorhaben offenzulegen und Grün-Schwarz die durch ihre Politik verursachte Verunsicherung – etwa im Bereich der Photovoltaik-Pflicht – in Erinnerung zu rufen. Als Oppositionspartei können wir das leider nicht sicherstellen, sondern nur anmahnen. Daher sehe ich hier die Regierung in der Pflicht sie die passenden Rahmenbedingungen für Handwerksbetriebe sicherzustellen.

Klaus Hoher, FDP

Stoch: Die Energiewende ist die Mammutaufgabe für die nächsten Jahre. Die SPD schlägt vor, Klimaziele mit konkreten Schritten zu unterlegen, um für mehr Verlässlichkeit und Planbarkeit zu sorgen. Ohne Handwerk wird die Energiewende nicht gelingen. Das erfordert die volle Unterstützung der politisch Verantwortlichen.

Für die Energie- und Klimawende brauchen wir beruflich qualifizierte Fachkräfte. Trotzdem bleiben im Kammergebiet jährlich rund 500 Ausbildungsplätze unbesetzt. Was tun Sie, um die Berufsorientierung zu verbessern?

Dörflinger: Über die Fachkräfteallianz BW, das Regionalprogramm Fachkräftesicherung und andere Initiativen, z.B. Ausbildungsbotschafter, gibt es bereits ein gutes Angebot. Aktuell baut die Landesregierung ihr Konzept der beruflichen Orientierung in allen Schularten aus. Doch das Umfeld bleibt herausfordernd. Persönlich werbe ich für das Handwerk, wo immer ich mit Jugendlichen zusammenkomme. Ich sehe mich als Fürsprecher und Lautsprecher des Handwerks!

Hoher: Wir brauchen eine echte Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung – das heißt, auch mehr Anerkennung für die berufliche Bildung. Ebenso brauchen wir mehr Berufsorientierung, auch für Ausbildungsberufe, und in allen Schulformen. Auch ein Gymnasiast kann eine Ausbildung machen und daher sollte auch an Gymnasien zu allen beruflichen Wegen informiert werden. Dies alles muss unter Einbeziehung von Berufspraktikern geschehen – diese können am Überzeugendsten von ihrem Berufsbild berichten. Ebenso brauchen wir bessere Schulen, Stichworte Lehrermangel, weniger Schulabbrecher, verbindliche Schulempfehlung. Wenn mehr junge Menschen die Schule erfolgreich und gut für das Berufsleben vorbereitet abschließen, stehen auch dem Ausbildungsmarkt mehr Personen zur Verfügung.

Leider liegt der Fokus der Landesregierung nach wie vor nicht auf der beruflichen Ausbildung, weshalb in den vergangenen Jahren vieles versäumt wurde. Jüngst haben Grüne und CDU verhindert, im Schulgesetz zu regeln, dass Gymnasien auch auf eine duale Ausbildung vorbereiten. Ich halte es für einen Irrweg, so zu tun, als sei für alle mit Abitur ein Studium der richtige Weg. Wir brauchen in allen Schulen verbindliche Praktika, mehr Kontakt zu Betrieben und Infokampagnen zur Stärkung des Handwerks.

Andreas Stoch, SPD