„Ein pauschaler Wirtschafts-Lockdown muss weiter vermieden werden“

Handwerksbetriebe zum Teil hart betroffen – Handwerkskammer Ulm bietet der Landesregierung erneute Hilfe bei der Vermittlung der Hilfsgelder an

Die weiter stark steigenden Infektionszahlen haben zu weitreichenden Maßnahmen und umfassenden Kontaktbeschränkungen geführt, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. Dabei steht die Beschränkung von privaten und gesellschaftlichen Kontakten im Vordergrund. Die Handwerkskammer Ulm sieht das als den richtigen Weg an, weil sich hier die Infektionsdynamik seit Beginn der Pandemie im Frühjahr besonders beschleunigt. Das regionale Handwerk begrüßt das Vorhaben, den wirtschaftlichen und schulischen Bereich von weiteren Einschränkungen weitgehend auszunehmen. „Es ist gut, dass ausdrücklich und grundsätzlich klargestellt wird: Handwerksbetriebe können ihrer Tätigkeit auch in dieser Phase weiter nachgehen“, so Dr. Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm. „Wir werden weiter ganz intensiv daran arbeiten, einen pauschalen Lockdown für unsere regionalen Betriebe zu vermeiden.“ Das sei schon im März dieses Jahres das Erfolgsrezept gewesen und es sei gut und wichtig, dass dies nun ausgebaut werde – und man damit nicht dem Beispiel anderer Länder in Europa folgt, die jetzt auch das Arbeiten und Wirtschaften stilllegen.

Gleichwohl ist es nicht durchgängig gelungen, alle Handwerksbetriebe von den aktuellen Maßnahmen auszunehmen. Die großen Anstrengungen und Investitionen vieler Betriebe in den vergangenen Monaten, mit durchdachten Hygienekonzepten Kunden und Mitarbeiter zu schützen, hätten mehr Anerkennung verdient. Manche Handwerksbereiche sind substanziell betroffen von den nun anstehenden Schließungen, manche unmittelbar, manche mittelbar. Das sind beispielsweise die Bäcker und Metzger im Hinblick sowohl auf ihr gastronomisches Angebot als auch ihre Dienstleistungen im Veranstaltungs- und Messebereich. Im Messebereich sind insbesondere Schreiner, Messe- und Ladenbauer betroffen. Die Kosmetiker unterliegen den Schließungsvorgaben für personenbezogene Dienstleistungen direkt. Das neuerliche Herunterfahren des Gastronomie- und Hotelleriebereichs kann negative Konsequenzen für Textil- wie auch Gebäudereiniger haben. Für Brauer und Mälzer wird mit der Gastronomie ihr wesentlicher Absatzkanal verschlossen. Die Handwerkskammer Ulm rechnet in ihren sieben Stadt- und Landkreisen mit einer Betroffenheit in diesen Gewerken von mindestens 3.000 der insgesamt über 19.500 Betriebe. Zum Kammergebiet von der Ostalb bis zum Bodensee gehören u.a. 1.355 Kosmetiker, 702 Gebäudereiniger, 61 Textilreiniger, 265 Bäcker, 78 Konditoren, 388 Fleischer sowie 25 Brauer und Mälzer. „Wir freuen uns, dass die Mehrzahl erneut frei gehalten wird von direkten Eingriffen. Für die betroffenen Betriebe aber sind die Beschlüsse hart und bitter“, so Mehlich.

Viele der jetzt betroffenen Betriebe sind bereits durch den ersten Lockdown im Frühjahr massiv betroffen gewesen. Die Handwerkskammer befürchtet, dass viele von ihnen ohne Hilfestellung seitens der öffentlichen Hand die nun beschlossenen weitergehenden Beschränkungen nicht verkraften werden. Die Reserven der Betriebe sind bereits weitgehend aufgebraucht. Die vorgesehenen Überbrückungs- und Stabilisierungshilfen können helfen, das Gröbste abzufedern. Kleinere Betriebe bis 50 Mitarbeiter können bis zu 75 Prozent der Umsatzeinbußen im Vergleich zum Vorjahresmonat erhalten. Für größere Betriebe gibt es Möglichkeiten entsprechend des EU-Beihilferechts. Positive Wirkung wird die Öffnung des KfW-Schnellkredits jetzt auch für Betriebe mit weniger als zehn Beschäftigten entfalten. In diese Größenordnung fallen die allermeisten der Mitgliedsbetriebe der Handwerkskammer Ulm: bei den Soforthilfen im Frühjahr sind rund 90 Prozent der Anträge von Handwerksbetrieben mit bis zu zehn Mitarbeitern gestellt worden. „Wir werden jetzt darauf drängen, dass das Unterstützungspaket schnell festgelegt und konkret wird – und vor allem für die Betroffenen auch unbürokratisch handhabbar ist“, sagt Mehlich und ergänzt. „Wir haben immer gesagt: wir dürfen unsere finanziellen Spielräume nicht allein und vollkommen im Frühjahr verwenden, sondern müssen auch für die Betriebe sorgen können, die von einer zweiten oder dritten Welle erfasst werden. Das kommt uns jetzt bei dieser wichtigen Hilfe zu Gute.“

Die Handwerkskammer Ulm hat der Landesregierung erneut angeboten, an dieser schnellen und unbürokratischen Vermittlung der Hilfsgelder für die betroffenen Betriebe mitzuwirken. Im Frühjahr hatte die Handwerkskammer so über 7.500 Anträge ihrer Betriebe mit einem neu aufgesetzten Prozess in der Regel innerhalb von vier Tagen nach vollständiger Antragstellung bearbeitet. Damals sind insgesamt mehr als 55 Millionen Euro an die Handwerksbetriebe in der Region geflossen. Rund 10.000 Euro hat ein Betrieb durchschnittlich an Fördersumme erhalten. Knapp 13 Prozent der Anträge stammten aus dem Alb-Donau-Kreis (vergebene Fördersumme an den Landkreis: 8 Millionen Euro), 11 Prozent (7 Millionen Euro) aus dem Stadtkreis Ulm, 11 Prozent (6 Millionen Euro) aus dem Landkreis Biberach, 8 Prozent (4 Millionen Euro) aus dem Landkreis Heidenheim, 21 Prozent (12 Millionen Euro) aus dem Ostalbkreis, 15 Prozent (8 Millionen Euro) aus dem Bodenseekreis und 21 Prozent (12 Millionen Euro) aus dem Landkreis Ravensburg. „Wir können das und würden es gerne wieder tun. Die betroffenen Betriebe brauchen die Hilfe schnell und unbürokratisch. Das wollen wir mit unseren Beratern jetzt wieder leisten“, so Mehlich. „Es entlastet den Staat und führt dazu, dass die Gelder schnell am Bedarf ankommen.“