Junge Menschen und ländliche Räume brauchen ein leistungsfähiges 365-Euro-Ticket

Handwerkskammer Ulm fürchtet, Auszubildende und Meisterstudierende könnten abgehängt werden – Förderprogramm schafft regionalen Flickenteppich mit Löchern im ländlichen Raum

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Das Handwerk zwischen Ostalb und Bodensee wünscht sich schon lange ein flächendeckendes, landesweites Azubi-Ticket. Sind junge Menschen mobil, kommen sie leichter zu ihrem Handwerks- und Ausbildungsbetrieb. Sie finden den passenden Ausbildungsplatz und angehende Meister eine Arbeitsstelle im Handwerksbetrieb. Ab Frühsommer 2022 soll das nun mit dem 365-Euro-Jahresticket möglich werden. Schüler, akademische Studierende und Azubis und Meisterstudierende im Handwerk könnten dann für nur einen Euro am Tag mit Bussen und Bahnen durch das ganze Land fahren. Der jetzt vorgestellte Plan der Landesregierung macht das jedoch schwierig. Verkehrsverbünde im Land müssen sich zunächst für das 365-Euro-Ticket bewerben und sich außerdem an knapp einem Drittel der Kosten beteiligen. „Handwerk ist Region. Wenn nicht wirklich alle Regionen mitmachen, werden ländliche Gegenden noch weiter abgehängt. Gerade dort leben und arbeiten aber viele unserer Auszubildenden und Meisterstudierenden“, sagt Dr. Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm.  

Gleiche Werte für berufliche und akademische Bildung 

Hinzu kommt außerdem, dass nach den Plänen der Landesregierung bei Azubis und Meisterstudierenden der Wohnort darüber entscheiden soll, ob sie das 365-Euro-Ticket überhaupt nutzen dürfen. Bei Studierenden soll dagegen der Studienort ausschlaggebend sein. Während große Verkehrsbünde in Städten am Ticket teilnehmen, befürchtet das Handwerk, dass kleinere Verbünde im ländlichen Raum zurückhaltender sein könnten. Für Azubis und Meister sollte es deshalb ein Wahlrecht geben, ob der Wohnort, der Sitz der Berufs- und Meisterschule oder der Betriebsort für das Ticket relevant ist. Mehlich betont: „Wenn die Politik von der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Ausbildung spricht, müssen auch gleiche Werte gelten. Es ist kaum mehr zu erklären, warum eine Meisterstudentin in der beruflichen Bildung mehr als das Doppelte oder gar Dreifache für den öffentlichen Nahverkehr bezahlen muss, als ein Hochschulstudent.“ Ein weiteres Beispiel: Im Donau-Iller-Nahverkehrsverbund muss ein akademischer Studierender für die Nutzung der Verkehrsmittel jährlich 266 Euro bezahlen. Ein Azubi muss dagegen monatlich rund 57 Euro ausgeben. Auf das komplette Jahr gerechnet bezahlt er also mehr als doppelt so viel.  

Handwerk wünscht sich Nachbesserungen 

Eine Rolle spielt bei den aktuellen Plänen auch das Alter. Nur junge Menschen unter 27 Jahren sollen das 365-Euro-Ticket nach den aktuellen Plänen der Landesregierung nutzen dürfen. Beinahe jeder zweite Meisterstudierende im Gebiet der Handwerkskammer Ulm wäre damit von diesem Angebot ausgeschlossen sowie knapp jeder achte Auszubildende. „Wir waren sehr froh über die Ankündigungen der Landesregierung zum 365-Euro-Ticket. Jetzt muss sie aufpassen, dass nicht alles verwässert und eine positive Vorwärtsbewegung ausbleibt“, ergänzt Mehlich.