Überbrückungshilfen kommen immer noch zu wenig im Handwerk an

Bürokratie lähmt Hilfen: Von den bereitgestellten 25 Milliarden Euro an staatlichen Überbrückungshilfen für Betriebe sind bislang offenbar erst rund 1,5 Milliarden Euro ausgezahlt worden – Handwerkskammer will Auszahlung für die Betriebe übernehmen.

 Seit Mitte Juli 2020 können Handwerksbetriebe nicht rückzahlbare Überbrückungshilfen des Bundes in Anspruch nehmen, wenn sie erhebliche Umsatzeinbußen aufgrund der Coronakrise hatten. Das Bundesprogramm ist bis zum Jahresende verlängert. Der Bedarf der Betriebe für diese Unterstützung über die Soforthilfe hinaus ist ungebrochen. Bei den Betrieben kommt die Betroffenheit zeitlich zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Rund 25 Milliarden Euro hat die Bundesregierung zur Unterstützung kleiner und mittlerer Betriebe eingeplant. Die Handwerkskammer Ulm kritisiert, dass bislang offenbar erst rund 1,5 Milliarden Euro an Hilfsgeldern an die bedürftigen Betriebe geflossen sind. Die beschlossenen Unterstützungen kommen also faktisch nicht in dem angedachten Umfang an. „Es ist gefährlich, wenn Hilfen laut bereitgestellt werden, aber so mit Bürokratie verquarzt sind, dass sie faktisch nicht existieren. Die Situation in den Betrieben ist zu prekär als dass wir bei der politischen Theorie bleiben können. Wir brauchen ankommende Hilfen in echt“, so Dr. Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm.  

Der Grund für die schleppende Auszahlung: Hohe bürokratische und inhaltliche Hürden bei der Antragstellung und Auszahlung. Anders als bei den Soforthilfeanträgen können die Förderanträge nicht von den Betriebsinhabern selbst und über die Handwerkskammer gestellt werden, sondern müssen u.a. von einem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer beantragt werden. Die Anträge werden rein digital verarbeitet. Im Frühjahr hatte die Handwerkskammer Ulm die Bearbeitung der Soforthilfeanträge selbst organisiert. Die Bilanz damals: Insgesamt sind über 55 Millionen Euro zu rund 5.500 regionalen Handwerksbetrieben geflossen. Davon jeweils 21 Prozent aus dem Landkreis Ravensburg und dem Ostalbkreis, 15 Prozent aus dem Bodenseekreis, 13 Prozent aus dem Alb-Donau-Kreis, jeweils 11 Prozent aus Stadt Ulm und dem Landkreis Biberach und 8 Prozent aus dem Landkreis Heidenheim. Die Kammer hatte damals die eingegangenen Anträge in der Regel innerhalb von vier Tagen nach vollständigem Eingang fertig bearbeitet und zur Auszahlung an die L-Bank geleitet. „Das würden wir besser hinbekommen“, so Mehlich.   

Die Handwerkskammer Ulm fordert, die Förderbedingungen für die Überbrückungshilfen zeitnah nachzubessern – bürokratieärmer und schneller. Denn besonders die kleinen und mittelständischen Unternehmen würden benachteiligt. Das dürfe nicht dazu führen, dass die betroffenen Betriebe diese wichtige Unterstützungsleistungen nicht beantragen oder erhalten. Unbegleitet verschlimmere sich ihre Situation. In einem Schreiben der Handwerkskammer Ulm an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und die baden-württembergische Wirtschafts- und Arbeitsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut hatte die Kammer kürzlich erneut ihre Mithilfe bei der Bearbeitung und Auszahlung der Überbrückungshilfen an die regionalen Betriebe angeboten. Die Antragsfrist der ersten Phase der Überbrückungshilfen wurde nach dieser Intervention vom 9. Oktober 2020 um eine zweite Phase bis 31. Dezember 2020 verlängert.