Wer die Daten hat, hat den Markt

“In Europa denkt man sich jetzt das aus, was uns in den nächsten Jahren in unseren Betrieben beschäftigen wir” – Handwerkskammer Ulm trägt Interessen der regionalen Betriebe in Brüssel vor

Der Vorstand der Handwerkskammer hat sich im Vorfeld des EU-Sondergipfels zum Haushalt 2021-2027 in Brüssel mit Europaabgeordneten und Vertretern der Europäischen Kommission zu den aktuellen politischen Themen ausgetauscht. Im Gespräch mit dem Chef der Konservativen-Fraktion im Europäischen Parlament, Manfred Weber (CSU), und den baden-württembergischen Europaabgeordneten Norbert Lins (CDU) und Evelyne Gebhardt (SPD) standen insbesondere die Auswirkungen weiterer neuer Europäischer Richtlinien auf die Finanzierung der Handwerksbetriebe über die regionalen Volks- und Raiffeisenbanken und Sparkassen. „Unsere Handwerksbetriebe und Volksbanken und Sparkassen verbindet eine gewachsene und bewährte Finanzierungsstruktur. Zusätzliche Bürokratie und Haftungsdruck für Banken trifft erst die kleineren und regional agierenden Banken überproportional – und dann und damit unsere Betriebe durch Bürokratie und Kosten in ihrer Finanzierung. Und das müssen wir in Brüssel laut und deutlich platzieren, wenn man in Spanien oder Rumänien keine regionalen Volksbanken oder Sparkassen kennt“, so Joachim Krimmer, Präsident der Handwerkskammer Ulm.  

Weiteres Thema des Austauschs, der die Handwerksunternehmer u.a. auch mit dem Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei (EVP) und dem ehemaligen Kandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten Manfred Weber (CSU) zusammen gebracht hat, waren die anstehenden Überlegungen zur Daten- und Plattformökonomie. In einer neuen Strategie bereitet die EU-Kommission Maßnahmen für einen gesicherten Zugang und einen fairen Umgang mit Daten vor. Hintergrund ist, dass große Konzerne und Hersteller den Zugang zu Daten immer stärker kontrollieren und so in die Wertschöpfungsketten eingreifen und sich zwischen Handwerkern und Kunden platzieren. „Handwerksbetriebe wollen ihren Kunden gute Dienstleistungen, wie eine vorausschauende Wartung und schnelle Reparaturen, anbieten können. Dazu müssen sie in Echtzeit auf Daten zugreifen können, wie z.B. Daten in Fahrzeugen oder von Heizungen und Smart-Home-Anlagen oder Produktionsmaschinen. Alles andere verzerrt den Wettbewerb und entzieht den Handwerksbetrieben den Boden des Wirtschaftens“, betont Joachim Krimmer. Angestrebt werden dafür offene Schnittstellen und standardisierte Datenformate, die auch der Handwerksbetrieb nutzen kann. Der Zugang für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) muss rechtlich gesichert werden.  

„Wichtig ist uns, dass die EU versteht, dass es neben Start-Ups und schnell wachsenden High-Tech- oder auch Industrieunternehmen auch die regionalen Handwerksbetriebe gibt. Wir wünschen uns einen ‚gelebten KMU-Test‘ vor jedem Regelungsvorschlag. Nur, wenn wir Mittelständler im Vorfeld gehört werden, können die Auswirkungen ‚echt‘ abgeschätzt werden – und unnötige Bürokratie in unseren Betrieben vermieden oder abgebaut werden. Denn die nervt unsere Beschäftigten und bremst letztlich unseren Wohlstand“, findet Katja Maier, Vizepräsidentin der Handwerkskammer Ulm und Kreishandwerksmeisterin im Ostalbkreis. Für das regionale Handwerk sei zentral, dass die geltende KMU-Definition bestehen bleibe, insbesondere die Höchstgrenze von 250 Mitarbeitern.  

Im Mittelpunkt des Austausches mit dem Europaabgeordneten Norbert Lins stand auch der European Green Deal. Lins sieht den Green Deal als Chance auch fürs Handwerk: „Wir können jetzt viele Themen richtig entscheiden. Die Europäische Union kann sich erneuern. Wir können in Europa Technologieführer werden oder bleiben und beispielsweise über Innovationsfähigkeit den Klimaschutz vorantreiben oder die Artenvielfalt auch mit technischen Möglichkeiten erhalten.“ „Europa kann nicht grün werden, wenn das Handwerk nicht die richtige Technik im Keller eingebaut und beim Smart Grid installiert. Regional aufgestelltes Handwerk trägt den Green Deal in die Fläche. Wir sind Mitgestalter des Green Deal. Uns ist dabei wichtig, dass die Veränderung sozial ausgewogen geschieht“, fasst der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm, Dr. Tobias Mehlich, die Meinung des Handwerks zusammen. „Es ist niemandem geholfen, wenn wir grün werden, aber Teile der Gesellschaft abhängen.“ Im Gebiet der Handwerkskammer Ulm arbeiten mehr als 120.000 Menschen in 19.500 Handwerksbetrieben.

Der Spitzenmann der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Manfred Weber MdEP (r.), im Gespräch mit Norbert Lins MdEP (2.v.r.) und Handwerkskammerpräsident Joachim Krimmer (l.) sowie Vorstandsmitgliedern der Handwerkskammer Ulm. Darunter auch Michael Bucher, Kreishandwerksmeister im Landkreis Ravensburg (3.v.r) und Christof Binzler, Kreishandwerksmeister im Bodenseekreis (3.v.l.).