Interview mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann “Dem Handwerk gehört bei allen wichtigen Themen die Zukunft”

Die Handwerkskammer Ulm hat mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann über den Stellenwert der berufliche Bildung gesprochen.

Der Ministerpräsident spricht vor Fortbildungsteilnehmenden an der Bildungsakademie.
Foto: Handwerkskammer Ulm

Bis zum Jahr 2030 werden zehnmal mehr beruflich gebildete Fachkräfte gesucht als Akademiker. Was tut die Politik, um diese Lücke zu schließen?

Winfried Kretschmann: Angesichts der notwendigen Transformation und des Strukturwandels kommt der beruflichen Bildung eine besondere Bedeutung zu. Insbesondere am Übergang Schule-Beruf werben wir daher verstärkt für die Vielfalt der Ausbildungsberufe. Die Botschaft dabei lautet: Dem Handwerk gehört bei allen wichtigen Themen die Zukunft, von der Digitalisierung über den Klimaschutz bis zum Smart Home. Um die Meisterausbildung noch attraktiver zu machen, haben wir unter anderem Gründungsprämien eingeführt, die den Weg in die Selbstständigkeit erleichtern. Wir brauchen nicht nur Master, sondern auch Meister.

Geldströme lenken Bildungsströme – und die Anerkennung und Wertschätzung der Menschen. Die Politik hat jahrzehntelang den Fokus auf die akademische Bildung gelegt. Wäre es jetzt nicht an der Zeit, das Jahrzehnt der beruflichen Bildung auszurufen?

Kretschmann: Berufliche und akademische Ausbildung sind unterschiedlich, aber gleichwertig. Das herauszustellen, ist ein Herzensthema meiner Landesregierung. Wir stärken daher unter anderem an allen allgemeinbildenden Schularten die berufliche Orientierung. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei gerade auf der beruflichen Ausbildung und dem Handwerk. Gleichzeitig haben wir landesweite Fortbildungsreihen entwickelt, mit denen wir die Lehrkräfte für die Karrieremöglichkeiten im Handwerk sensibilisieren wollen.

Die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung ist im Alltag noch nicht überall angekommen. Ein Beispiel ist der ÖPNV. Warum muss etwa eine Meisterstudentin in der beruflichen Bildung mehr als das Doppelte gegenüber einem Hochschulstudenten bezahlen?

Kretschmann: Mit dem Jugendticket leisten wir seit 1. März 2023 einen weiteren Beitrag zur Gleichstellung von beruflicher und akademischer Bildung. Denn dieses Angebot ermöglicht es jungen Menschen – egal ob Meister- oder Hochschulstudent – für 365 Euro pro Jahr im gesamten Land Bus und Bahn zu fahren. Dazu kommt jetzt noch das Deutschlandticket, das für viele eine gute Alternative sein könnte.