Kein Personalabbau im Handwerk, im Gegenteil: Auszubildende willkommen

Handwerksbetriebe wollen ausbilden trotz Krise: 938 Lehrstellen noch unbesetzt – Prüfungen im Handwerk starten wieder

Jeder zweite Handwerksbetrieb in der Region kämpft laut einer Umfrage in den letzten Wochen mit Auftragsstornierungen (52 Prozent). 68 Prozent sprechen weiterhin von Umsatzrückgängen. Aber: Fast 45 Prozent der befragten Handwerksbetriebe planen, für das kommende Ausbildungsjahr genauso viele oder sogar mehr Auszubildende einstellen zu wollen als im Vorjahr. Jeder vierte der befragten Betriebe (25 Prozent) der Handwerkskammer Ulm beabsichtigt, weniger Auszubildende einzustellen. „Eine Ausbildung erfordert vom Betrieb auch finanziellen Aufwand. Gerade jetzt kommt es deshalb darauf an, die Betriebe zu unterstützen, die ausbilden möchten“, so Dr. Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm. Das Handwerk stehe zu seinen Mitarbeitern und wolle diese unbedingt halten. Die jüngsten Umfragen im Handwerk der Region hatten immer wieder gezeigt, dass Personalabbau in oder wegen der Krise für das Handwerk kein Thema ist. „Die Betriebe in der Region sind gute Ausbilder und treue, sichere Arbeitgeber, auch wenn einmal der Wind bläst. Unsere Betriebe stehen jungen Menschen auch in der Krise für einen Ausbildungsbeginn im Handwerk offen“.

Zum Gebiet der Handwerkskammer Ulm gehören rund 5.300 Handwerksbetriebe, die regelmäßig ausbilden. Aktuell sind noch 938 Lehrstellen von der Ostalb bis zum Bodensee offen – in nahezu allen Gewerken. Im Vorjahr waren es Ende April 799 offene Ausbildungsstellen. Regional verteilt gibt es im Ostalbkreis derzeit 191 offene Lehrstellen, im Landkreis Ravensburg 232. Im Alb-Donau-Kreis sind 118, im Landkreis Biberach 195, im Landkreis Heidenheim 35, im Bodenseekreis 101 und im Stadtkreis Ulm momentan 66 Lehrstellen unbesetzt. „Manche Betriebe sind verunsichert. Durch neue Auszubildende im Betrieb fallen zusätzliche Ausgaben an. Das fällt natürlich schwer in einer Zeit, in der gerade nichts oder weniger reinkommt und Aufträge storniert werden. Doch es kommen auch wieder andere Zeiten und dafür brauchen wir dann gut ausgebildete Fachkräfte – nicht nur die Betriebe, sondern auch die Verbraucher für ihre Aufträge“, sagt Mehlich.

Die Handwerkskammer Ulm macht sich deshalb dafür stark, dass die Ausbildungsbetriebe vom Land mit einem Zuschuss zu diesen Ausbildungskosten unterstützt werden. Zumindest solange Betriebe kein Kurzarbeitergeld für Auszubildende erhalten. Auch finanzielle Anreize können ein Instrument sein, um Handwerksbetriebe zu überzeugen, die mit dem Gedanken spielen auszubilden. „Hier braucht es ein klares Signal, dass ihre Investition in die Zukunft keine Fehlentscheidung sein wird.“ Der Mut sollte laut Mehlich belohnt werden. „Wir wünschen uns ein starkes Zeichen der Politik, dass Ausbildung geschätzt wird – eben über einen Ausbildungsbonus. Andere Länder wie Sachsen stützen ihre Ausbildungsbetriebe bereits mit einem solchen Zuschuss. Wir dürfen in dieser Krise die Auszubildenden und die Betriebe nicht vergessen. Sonst nimmt unser duales System Schaden.“

Prüfungen laufen wieder an
In dieser Woche beginnen die Vorbereitung und die Durchführung für die Abschluss- und Gesellenprüfungen. Auch die Meisterkurse und die Meisterprüfungen starten wieder. Die Handwerkskammer Ulm mit ihren Bildungsstätten in Ulm und Friedrichshafen bringt jährlich rund 600 Meisterabsolventen hervor. Zudem werden jährlich ca. 3.000 Gesellenprüfungen in Berufen wie Kraftfahrzeugmechatroniker, Zimmerer oder Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk abgelegt. Insgesamt sind bei der Handwerkskammer Ulm rund 1.800 ehrenamtliche Prüfer tätig. Die anstehenden Gesellen- und Meisterprüfungen im Handwerk werden ab sofort durchgeführt oder nachgeholt. „Mit der Wiederaufnahme der Prüfungen sorgen wir für Planungssicherheit bei den Auszubildenden und den Betrieben. Das ist ein kleiner Schritt hin zu mehr Normalität“, so Mehlich. Dabei stehe es außer Frage, dass der Infektionsschutz bei den Prüfungen im Handwerk allerhöchste Priorität habe. Risiken für Prüfungsteilnehmende oder Prüfende gelte es unbedingt zu vermeiden.