Zur Unwirksamkeit einzelner Regelungen der VOB/B

Wenn die VOB/B als Ganzes vereinbart und in den Vertrag einbezogen ist, nehmen die Gerichte keine isolierte Inhaltskontrolle einzelner VOB/B-Bestimmungen vor. Jede (auch kleine) vertragliche Abweichung von der VOB/B führt jedoch dazu, dass diese nicht als Ganzes vereinbart worden ist.

Die Gerichte können dann einzelne Regelungen der VOB/B prüfen, eine Inhaltskontrolle auf Basis der (strengen) Regelungen des AGB-Rechts durchführen und die Unwirksamkeit einzelner Regelungen feststellen. Diese ständige Rechtsprechung hat der BGH jetzt nochmal bestätigt (BGH, Urt. v. 19.01.2023 – VII ZR 34/20).

Die Klägerin war von der Beklagten als Nachunternehmerin beim Ausbau einer Stadtbahnlinie mit den Tiefbauarbeiten beauftragt. Im Zuge der Bauausführung kam es zu Streitigkeiten über die geschuldete Qualität des verbauten Betons. Einer Mängelbeseitigungsaufforderung mit Kündigungsandrohung der Beklagten kam die Klägerin nicht fristgerecht nach, weswegen die Beklagte den Bauvertrag insgesamt kündigte. Die Klägerin erhob hierauf Klage auf Zahlung von Restwerklohn in Höhe von 2,5 Mio. Euro. Die geschätzten Mängelbeseitigungskosten beliefen sich interessanterweise auf lediglich ca. 6.000,00 Euro.

Der BGB gab der Klägerin Recht. Der Beklagten stand kein Kündigungsrecht wegen Mängeln vor Abnahme gemäß § 4 Abs. 7 Satz 3 VOB/B i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 VOB/B zu. Nachdem die VOB/B im vorliegenden Fall nicht als Ganzes vereinbart war, nahm der BGH eine Inhaltskontrolle vor. Dabei kam der BGH zu dem Ergebnis, dass die Kündigungsmöglichkeit dem gesetzlichen Leitbild widerspricht und deshalb wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers unwirksam ist.

Gesetzliches Leitbild sei, dass der Arbeitnehmer durch ein den Vertragszweck gefährdendes Verhalten die vertragliche Vertrauensgrundlage derart erschüttert hat, dass dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. § 4 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B könne jedoch auch so verstanden werden, dass auch bei ganz geringfügigen und unbedeutenden Vertragswidrigkeiten oder Mängeln eine Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund eröffnet ist.

Es ist von daher immer darauf zu achten, dass die VOB/B als Ganzes ohne Abweichungen vereinbart wird. Ansonsten kann es im Einzelfall sein, dass einzelne Regelungen von den Gerichten als unwirksam betrachtet werden.



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