Rückkehr zu G9: Chancen für Berufsorientierung im Handwerk, Risiken für Lehrerversorgung in der beruflichen Bildung

Handwerkskammer Ulm fordert stärkeren Fokus auf berufliche Orientierung für Jugendliche beim Übergang von der Schule in den Beruf

Eine Schülerin streckt im Klassenzimmer ihre Hand.

Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Rückkehr zum G9-System in den allgemeinbildenden Gymnasien in Baden-Württemberg betont die Handwerkskammer Ulm die Bedeutung einer verbesserten Berufsorientierung an den Schulen. Die Kammer sieht in den aktuellen Bildungsreformen eine Gelegenheit, die Berufsorientierung, insbesondere in Richtung Handwerk, zu stärken und jungen Menschen einen besseren Übergang von der Schule in das Berufsleben zu ermöglichen.

Die Handwerkskammer weist darauf hin, dass eine fundierte und handwerksorientierte Berufsorientierung schon lange vor der Einführung neuer Bildungspläne durch das G9-System erforderlich ist. „Ein Zurück zum flächendeckenden G 9 ist nur dann eine Verbesserung, wenn wir die jungen Menschen besser für das Leben danach vorbereiten und orientieren. Dazu gehört frühzeitige und umfassende Orientierung über ihre individuellen beruflichen Möglichkeiten statt Angebote eines akademischen Einheitsweges“, so Dr. Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm. Nur dann könne schulische Bildung die zahlreichen Chancen einer handwerklichen Ausbildung und der damit einhergehenden Karrierewege in angemessener Weise aufzeigen und vermitteln.

Gleichzeitig blickt die Handwerkskammer mit Sorge auf die Herausforderungen, die mit der Umstellung auf G9 verbunden sind – insbesondere in Bezug auf den Lehrermangel. Die notwendige Erhöhung der Lehrkräfteanzahl für die Umsetzung des G9-Systems könnte zu einem verstärkten Lehrermangel führen, der sich wiederum negativ auf die Qualität der beruflichen Bildung auswirken könnte. Die Kammer macht darauf aufmerksam, dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen allgemeinbildender und beruflicher Bildung gewahrt bleiben muss, um den Unterrichtsausfall zu minimieren und die Qualität der Ausbildung zu sichern. Mehlich weiter: „Durch eine wieder verlängerte Gymnasialzeit bekommen wir ja nicht mehr Lehrer, im Gegenteil: Gerade in den allgemeinbildenden Fächern wird sich der Lehrermangel verschärfen. Wir fürchten, dass die berufliche Bildung das am stärksten zu spüren bekommt.“

Die aktuelle Diskussion – insbesondere der Elternschaft – über eine Rückwärtsbewegung zum flächendeckenden G 9 könne man auch aus einen weiteren Grund nicht ganz nachvollziehen: „Es gibt doch für jede Schülerin und jeden Schüler bereits jetzt eine Möglichkeit, das Abitur nach neun statt acht Jahren zu machen: an einem beruflichen Gymnasium. Jeder kann also bereits seinen Weg gehen, wie er mag“, sagt Mehlich.