Nicht-Akademiker haben bessere Beschäftigungschancen; finanzielle Unterstützung der beruflichen Bildung muss dem Stellenwert angepasst werden
Die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Europa, erkennt nun erstmals in ihrem aktuellen Bildungsbericht den Wert der dualen Ausbildung in Deutschland für das gesamte Bildungssystem an. Bislang wurde der Fokus allein auf die akademische Ausbildung gerichtet. Damit wurde ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung zu einem angemessenen Stellenwert des Handwerks und seiner wichtigen beruflichen Bildung gemacht. Die Quote der Beschäftigung junger Erwachsener zwischen 25 und 34 Jahren mit einer dualen Ausbildung oder vergleichbarem Abschluss im mittleren Qualifikationsbereich liegt mit nun 83 Prozent nur knapp unter der Beschäftigungsquote junger Erwachsener mit einem Abschluss von Hochschulen, Bildungsakademien, Meister und Techniker mit 87 Prozent. „Hochschul- und Handwerkerabschlüsse sind gleichwertig und müssen gleichgestellt werden. In Bezug auf Taten und Euros ist hier noch viel zu tun“, sagt Dr. Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm. „Die OECD konnte mit ihrem amerikanisch geprägten Bildungsbild in den letzten Jahren nichts mit unserer beruflichen Bildung anfangen. Deshalb sind diese positiven Feststellungen jetzt von einem doppelten Wert.“
Das Handwerk fordert auch eine gleichwertige finanzielle Unterstützung wie bei der akademischen Bildung, wie zum Beispiel im Öffentlichen Nahverkehr oder wenn es um die Höherqualifizierung geht mit Einführung einer Meisterprämie. „Es kann ja nicht sein, dass der Student seine Ausbildung vom Staat wie selbstverständlich kostenfrei finanziert bekommt und der Meister-Student im Handwerk diese Kosten selber tragen muss.“, so Mehlich, der die Statistiken der OECD seit 2012 regelmäßig in Briefverkehr gegenüber der OECD als unrichtig angemahnt hatte, weil in der Darstellung der höheren (tertiären) Bildung allein die akademischen Abschlüsse, nicht aber etwa die Meisterprüfungen aufgeführt wurden. „Bisher hatten wir nie Antwort bekommen, das ist jetzt eine wichtige inhaltliche Bewegung der OECD. Sie erkennt die Vorteile unseres beruflichen Bildungssystems jetzt an.“
Nichtakademiker haben bessere Beschäftigungschancen, denn eine qualitativ hochwertige Ausbildung schützt langfristig vor Arbeitslosigkeit. Berufliche und akademische Ausbildung bieten gleichermaßen vielseitige Karrieremöglichkeiten. Im Handwerk kann jeder seine Stärken und Talente entdecken und sich stets weiterentwickeln. Viele haben bereits erkannt, dass die qualitativ hochwertige duale Ausbildung neben fachpraktischen und fachtheoretischen Inhalten, persönliche Bindung und Vergütung vom ersten Tag an eine Reihe von Vorteilen bietet. Die Attraktivität des Handwerks nimmt dabei derzeit zu: 6,9 Prozent neu abgeschlossene Lehrverträge im Gebiet der Handwerkskammer Ulm. Mit 43,7 Prozent ist das Handwerk der Wirtschaftsbereich mit dem höchsten Anteil an Hauptschul- bzw. Gemeinschaftsschulabsolventen im Bereich der Handwerkskammer Ulm. Die zwei am stärksten wachsenden Gruppen sind jedoch Abiturienten mit knapp 15 Prozent und Flüchtlinge mit 7,7 Prozent. Auch Studienaussteiger sind eine neue wichtige Zielgruppe, die die Handwerkskammer Ulm intensiver ansprechen will. Insgesamt erzielt Deutschland mit seinem Bildungsangebot aus akademischer und beruflicher Bildung seit langem die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa.
Das Handwerk braucht Anpacker, denn die Konjunktur ist auch dieses Jahr von Quartal zu Quartal gestiegen. Die wirtschaftlichen Perspektiven werden grundsätzlich gut bleiben. „Wir könnten noch mehr. Die jungen Menschen müssen ernst genommen werden, ihnen muss etwas zugetraut werden – sie bekommen Verantwortung und Selbstständigkeit im Handwerk“, so Mehlich. Mit der Ausbildung bleiben die Betriebe zukunftsfähig. Auch eine Weiterbildung ist jederzeit möglich, wie zum Beispiel Meister oder Techniker, die von der OECD jetzt zu den Absolventen im tertiären Bereich, also den Akademikern, gewertet werden.
Die Handwerkskammer unterstützt interessierte Jugendliche und Betriebe gleichermaßen durch ihr Beratungsangebot wie beispielsweise Passgenaue Besetzung, also die Vermittlung zwischen künftigem Azubi und Betrieb.
Auch zukünftig muss der Blick auf die berufliche Ausbildung gelenkt werden, um die Wirtschaft sowie den Wohlstand unserer Gesellschaft zu sichern.