Mitarbeiter-Austritt – ein letzter guter Eindruck oder „Auf Wiedersehen“

Für viele Menschen ist es inzwischen normal, alle paar Jahre den Arbeitgeber zu wechseln. Selbst im Handwerk werden die Betriebszugehörigkeiten kürzer, und eine Laufbahn vom Azubi bis zum Renteneintritt im selben Betrieb stellt fast schon eine Rarität dar. Andererseits bedeutet bei der aktuell sehr angespannten Arbeitsmarktsituation für die meisten Betriebe der Austritt einer gut eingearbeiteten Fachkraft ein empfindlicher Rückschlag, der im Extremfall Umsatz und Kunden kosten kann.

Da sind Emotionen von Enttäuschung bis Wut auf Seiten des Arbeitgebers nachvollziehbar, bisweilen wird sogar die Kommunikation abgebrochen. Gerade aufgrund der starken persönlichen Zusammenarbeit im Handwerk passiert es nicht selten, dass ein Inhaber die Kündigung eines guten Mitarbeitenden als persönliche Kränkung erlebt. Doch anstatt „das Tischtuch zu zerschneiden“, kann es lohnend sein, das „von-Bord-Gehen“ in eine strukturierte Verabschiedung einzubetten, ein sog. Offboarding (analog zum Onboarding).

In Abgrenzung zum Renteneintritt und der arbeitgeberseitigen Kündigung spricht man vom Mitarbeiter-Austritt, wenn ein Mitarbeiter aus freien Stücken das Unternehmen verlässt und zu einem anderen Arbeitgeber wechselt. Insbesondere bei Mitarbeitenden, die eine große Lücke hinterlassen, kann man mit einem professionellen „letzten Eindruck“ punkten. Zugegebenermaßen gibt es auch Fälle, in denen eine Eigenkündigung des Mitarbeitenden für den Betrieb willkommen ist. Doch auch hier lohnt sich ein souveräner und professioneller Abschied, da jeder Ausscheidende in seinem neuen Wirkungskreis, sowohl bei Kollegen als auch bei Kunden, entweder negative Stimmung über den alten Arbeitgeber verbreiten („bin froh, dass ich endlich weg bin, bewerbt euch da nie“) oder aber zum positiven Botschafter („bin bis zuletzt fair behandelt worden“) werden kann.

Strukturiertes Offboarding

Eine gute Kommunikation auch beim Austritt kennzeichnet eine souveräne Verabschiedung; dabei darf das Bedauern über diese Entscheidung des Mitarbeitenden durchaus zum Ausdruck kommen. Ein Austrittsgespräch gibt Gelegenheit, die Kündigungsgründe zu erfahren. In einer offenen Gesprächsatmosphäre ohne Groll und falschen Stolz seitens des Vorgesetzten kann wichtiges, auch kritisches Feedback zutage kommen, das für den Betrieb sehr wertvoll sein kann, beispielsweise um nicht noch weitere Mitarbeitende zu verlieren. Dabei ist die Frage hilfreich, was sich der Mitarbeitende denn von dem Wechsel erhofft und warum er glaubt, dies im Betrieb nicht (mehr) erreichen zu können.

Man muss eine Kündigung nicht immer gleich akzeptieren. Wer mit Fingerspitzengefühl die Trennung zu verhindern versucht, vermittelt Wertschätzung und Verbundenheit. Selbst wenn die Trennung unausweichlich ist, bleibt ein anhaltender positiver Eindruck zurück.

Transparente Kommunikation ist auch gefragt bei der Information der Belegschaft. Hier sollte Gerüchten vorgebeugt werden, indem unmittelbar nach Entgegennahme der Kündigung mit dem Mitarbeitenden vereinbart wird, wie und mit welcher Begründung der Austritt bekannt gegeben wird. Stand der Mitarbeitende in engem Kundenkontakt (z.B. Bauleiter), sollten ebenfalls die Kunden in Kenntnis gesetzt werden, jedoch erst wenn geklärt ist, wer die Aufgaben übernimmt, damit das Kundenvertrauen nicht belastet wird.

Da der Weggang eines Kollegen ein Team verunsichern kann, ist die Führungskraft gefordert, noch näher an den Mitarbeitenden zu sein, Ängste offen anzusprechen und gute Lösungen für eventuell zu erwartende Mehrarbeit zu finden.

Ein Austritt erfordert zahlreiche organisatorische Maßnahmen, deren Abarbeitung mithilfe einer Checkliste Nerven, Zeit und Kosten spart. Zu klären sind beispielsweise: letzter Arbeitstag, Resturlaub, Behandlung von Überstunden, Spesen, Rückgabe von Werkzeug, Schlüsseln und Arbeitsklei­dung, etc. Dazu gehört auch die Löschung von Passwörtern ebenso wie die definierte Beendigung von IT-Zugriffsrechten.

Unmittelbar nach Kenntnis über den Austritt gilt es, das Know-How des Mitarbeitenden zu sichern. Ideal ist es, wenn schnell ein interner Nachfolger feststeht, den der ausscheidende Mitarbeitende noch einarbeiten kann. Muss ein Nachfolger von außen gefunden werden, gewinnt die Wissensdokumentation noch mehr an Bedeutung. Dabei sollte der Mitarbeitende seine Tätigkeit schriftlich festhalten, und zwar nicht nur das Tagesgeschäft, sondern auch besondere Verantwortung, Hintergrund-Informationen, Kontakte sowie Projektstände, damit Kollegen sich gut zurechtfinden. Allgemein ist eine aussagefähige Projektdokumentation in jedem Fall hilfreich, nicht nur prophylaktisch für den Fall eines Austritts.

Arbeitsrechtlich hat der ausscheidende Mitarbeitende Anspruch auf ein wohlwollendes und karriereförderndes Arbeitszeugnis. Wenn es gelingt, bis zum Schluss eine positive Atmosphäre zu erhalten, kann man den Mitarbeitenden auch bitten, eine entsprechend konstruktive Arbeitgeberbewertung oder Rezension zu hinterlassen für künftige Bewerber.

Auch wenn nicht alles perfekt war, sollte ein ehrlich ausgesprochener Dank den Schluss des Arbeitsverhältnisses prägen. Gleichzeitig bietet sich hier die Gelegenheit, die Tür für eine künftige Zusammenarbeit offen zu halten, falls man mit den Leistungen des Mitarbeitenden zufrieden war, und die Rahmenbedingungen dies zulassen.

Zurück zum alten Arbeitgeber? – Boomerang Recruiting

Mitarbeitende entscheiden sich aus den verschiedensten Gründen für einen Jobwechsel. Gerade talentierte junge Menschen wollen – anders als früher – nicht jahrzehntelang in ihrem Ausbildungsbetrieb bleiben. Sie versprechen sich durch einen Wechsel abwechslungsreiche Aufgaben, das Kennenlernen anderer Technologien und Abläufe oder nutzen sich bietende Karrierechancen – kurz: sie wollen sich persönlich weiter entwickeln. Und das hat zweifellos sein Gutes.

Wer kennt nicht die Fälle vom einstigen eigenen Azubi, der beim Konkurrenzbetrieb den Meister gemacht und wertvolle Führungserfahrung gesammelt hat? Oder der Geselle, der in einem anderen Betrieb ganz neue Technologien kennen gelernt hat, die man gerne im eigenen Betrieb neu einführen möchte? Würde man diese ehemaligen Mitarbeitenden nicht nach einigen Jahren der wertvollen und weiterbildenden „Wanderschaft“ als gestandene Persönlichkeit gerne wieder einstellen?

Oder auch die Fälle von Neugier, Überdruss, Wunsch nach Abwechslung, gepaart mit jugendlichem Übermut, wo ein Mitarbeitender andere Betriebe kennen lernen muss, um festzustellen, woanders ist es nicht automatisch besser, auch dort wird Leistung verlangt – und um anschließend geläutert und gefestigt zum ursprünglichen Betrieb zurück zu kommen? Oder die Fehlentscheidung, wo ein Jobwechsel die erhofften Erwartungen nicht erfüllt hat?

Tatsächlich können sich 39% aller Erwerbstätigen[1] vorstellen, zurück zum alten Arbeitgeber zu wechseln. Was früher bei Personalverantwortlichen als No-Go galt, wird inzwischen als Teil einer innovativen Recruiting-Strategie gesehen: das sog. Boomerang-Recruiting, also die systematische Anwerbung ehemaliger Mitarbeitenden, die gute Leistungen abgeliefert haben und in die Unternehmenskultur passten.

Solch einen Boomerang wieder einzufangen, kann für den Betrieb sehr vorteilhaft sein: Ehemalige kennen die Kultur des Unternehmens, meist sogar noch Belegschaft und Kunden, die Einarbeitung fällt deutlich kürzer aus. Die auswärts gesammelten Erfahrungen bringen wertvolles Potenzial ins Unternehmen, frischen Wind und neue Ansichten, die dann aber auch auf fruchtbaren Boden fallen sollten. Es lohnt sich also, persönlich oder über Dritte in Kontakt zu bleiben, Indikatoren für eine Wechselwilligkeit auf Social-Media zu beobachten oder die Kollegen zu sensibilisieren.

Doch zu viel Wunschdenken und positive Erinnerung dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch beim Boomerang Recruiting, je länger die Beschäftigung des Ehemaligen zurück liegt, kritische Stolpersteine im Weg liegen können: Der Mitarbeitende hatte ja damals einen triftigen Grund, das Unternehmen zu verlassen – besteht dieser Grund noch? Das Geschäftsleben im Handwerk ist schnell­lebig – kommt der Mitarbeitende mit diesen Veränderungen zurecht oder will er die Methoden von damals anwenden? Hat das Team mögliche Vorbehalte gegen die zurückkehrende Person?

Faktoren für ein erfolgreiches Boomerang-Recruiting[2] sind:

  • eine Trennung „im Guten“
  • Kontakthalten, evtl. mit regelmäßigem Informationsaustausch
  • Die Rückkehr darf für beide Seiten keine Verlegenheitslösung sein.
  • Der Kandidat durchläuft einen Einstellungsprozess wie alle anderen Bewerber.
  • Die ehemaligen Führungskräfte und Schlüsselmitarbeiter werden in die Entscheidung zur Wiedereinstellung einbezogen.

Fazit: Gelegentliche Jobwechsel sind eine natürliche und durchaus akzeptierte Entwicklung, die im Falle der Rückkehr geschätzter Leistungsträger einen beiderseitigen Mehrwert schaffen kann. Das Sprichwort „Man sieht sich zweimal“ hat für das Berufsleben also durchaus Potenzial.


[1] Quelle: Appinio, Studie im Auftrag von Indeed, Juni 2022

[2] https://www.haufe.de/personal/hr-management/_80_556034.html



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