Wir im Handwerk als Vorbild

Hätte ich vor fast 20 Jahren auf mein Umfeld gehört, gäbe es mein Bauunternehmen jetzt nicht. Familie, Freunde, Kollegen haben mir damals schon von der Betriebsgründung abgeraten, weil es zu wenig Fachkräfte gäbe. Damals schon. Meine 35 Beschäftigten würden jetzt woanders arbeiten. Es wäre ein Leichtes für sie, einen anderen Job zu finden. Aber sie arbeiten gerne bei mir. Meine Frauen und Männer kennen meine Führungslogik, meine Vorarbeiter auf der Baustelle arbeiten mit Tablet, Firmenhandy sowieso, wer mag darf neue Aufgaben und neue Verantwortung übernehmen.

Wir arbeiten miteinander. Wie wir arbeiten ist manchmal untypisch. Für uns mittlerweile normal. Bei uns bestelle nicht mehr ich als Chefin den Beton. Bei uns bestellt der Vorarbeiter auf der Baustelle. Er ist vor Ort, er kennt den Zeitplan im Zweifel besser als ich. Ich lasse das bewusst zu – auch wenn es am Anfang richtig schwierig war, zu delegieren, loszulassen. Ich bin als Firmenchef oft im Büro, beim Kunden. Wenn man so will, werde ich mehr und mehr zum Theoretiker. Und wenn ich von der Gesellschaft erwarte, dass sie mehr Respekt vor uns praxisgeneigten Handwerkerinnen und Handwerkern hat, dann fange ich bei mir im Betrieb an.

Wir kümmern uns gegenseitig. Es gibt einen Obstkorb bei uns, Getränke und das Feierabendbier auch. Wir helfen mit bei der Wohnungssuche oder unterstützen finanziell. Das ist wichtig für neue Kollegen, die erstmal ankommen müssen, die vielleicht sogar aus einem fremden Land kommen und die Sprache lernen müssen. Hier schwebt mir die Idee von Patenschaften oder Mentoren vor. Es wäre doch klasse, wenn es von der Politik geförderte Programme gäbe! Oder wenn junge Gründerinnen und Gründer einen erfahrenen Handwerker an die Seite erhalten, der über die ersten Hürden hinweg hilft? Ich fände das klasse, denn eines sollten wir bei dieser ganzen gesellschaftlichen Diskussion um fehlende Fachkräfte nicht vergessen: Wir dürfen den jungen Kolleginnen und Kollegen nicht den Mut nehmen! Ja, der Fachkräftemarkt ist schwierig. Das fordert uns als Arbeitgeber heraus. Ja, wir müssen uns was einfallen lassen. Aber wenn wir gute Vorbilder sind, motivieren wir auch unsere jungen Handwerkskolleginnen und -kollegen. Und die brauchen wir — wir im Handwerk und wir in unserer Gesellschaft.

Ulrike C. Monz ist Geschäftsführerin der UC Monz Bauunternehmung in Heidenheim. Beim Fachtag der Grünen hat sie im Landtag gesprochen, wie Unternehmenskultur dazu beitragen kann, qualifizierte Fachkräfte im Handwerksbetrieb zu halten. Auszüge ihrer Rede gibt Sie in diesem Gastkommentar wieder.

Dieser Kommentar ist erschienen in der DHZ-Ausgabe 10 2022.